Gesellschaftsrechtliche Vorgänge, Immobilienkaufverträge: Fast jeder hat automatisch im Kopf, dass für diese Vorgänge ein Anwalt erforderlich ist und die Unterzeichnung in der Regel in der Kanzlei des Rechtsvertreters erfolgt. Was viele allerdings nicht wissen: Firmengründungen, Firmenumwandlungen oder auch Immobilienkäufe und -verkäufe, die der Gegenzeichnung eines Anwalts bedürfen, können elektronisch abgewickelt werden, ohne dass ein persönliches Erscheinen beim Anwalt notwendig ist.
Da persönliche Treffen derzeit so weit wie möglich auf ein Minimum reduziert werden müssen, ist die oben genannte Option besonders wichtig geworden. Deshalb erklären wir Ihnen, wie sie funktioniert.
Auch im Recht bietet die Digitalisierung eine Lösung – der regulatorische Hintergrund ist flexibel
Die Regelung der Rechtstätigkeit im Bereich der Gegenzeichnung schafft für Personen, die sich während der epidemischen Notlage im Ausland oder anderweitig beschäftigt befinden, eine bequeme und nun besonders nützliche Möglichkeit. Auf diese Weise können Rechtsanwälte bei der Gegenzeichnung der Unterschrift einer zuvor identifizierten Partei elektronisch per Videoanruf tätig werden. Wichtig ist, dass das Verfahren die Kriterien der gleichzeitigen Übertragung und Aufzeichnung von Ton und Bild erfüllt.
Bisher war bei einer einfacheren Firmengründung oder -änderung oder beim Kauf und Verkauf von Immobilien im Falle einer ausländischen Unterschrift die Einholung einer amtlichen Legalisation durch eine ungarische Auslandsvertretung oder eine Apostille bzw. die erforderliche Genehmigung erforderlich. Die Einhaltung dieser formalen Vorschriften erforderte für den Betroffenen einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand, der heute schneller und kostengünstiger erfolgen kann. Ein von einem Anwalt gegengezeichnetes, aber von den Parteien im Ausland unterzeichnetes Dokument bedarf für seine volle Beweiskraft keiner diplomatischen Beglaubigung oder Legalisierung und auch keiner Apostille.
In der Praxis kann der Mandant sogar Tausende Kilometer vom Anwalt entfernt während eines Videoanrufs das Dokument unterzeichnen oder die Unterschrift auf dem während des Videoanrufs vorgelegten Dokument als seine eigene anerkennen. Auf dieser Grundlage kann der Rechtsanwalt das vorliegende Dokument gegenzeichnen und ohne weitere Formalitäten beim Registergericht oder Grundbuchamt einreichen.
Auch die eventuelle Verhinderung des gegenzeichnenden Rechtsanwaltes stellt kein Problem dar, da die ihn vertretende Person ebenfalls das Videogespräch führen kann. Der Kunde muss somit nicht vor einer ausländischen Behörde erscheinen und die damit verbundenen bürokratischen Formalitäten erledigen, sondern kann schnell und unkompliziert von seinem eigenen Büro oder besser noch von zu Hause aus unterschreiben.
Für bestimmte Fälle sieht die Verordnung allerdings noch mehr Flexibilität vor. Bei Dokumenten, die sich auch in elektronischer Form für die Abwicklung des jeweiligen Mandats eignen, etwa im Rahmen eines Gesellschaftsverfahrens – Dokumente im Zusammenhang mit der Grundbucheintragung sind das bislang nicht –, ist keine Videokonferenz erforderlich, damit der Rechtsanwalt sie gegenzeichnen oder selbst als elektronische Dokumente verwenden kann. Bei einem Unternehmensvorgang ist allerdings zusätzlich eine qualifizierte elektronische Signaturberechtigung des Unterzeichners erforderlich. Dabei handelt es sich konzeptionell um eine elektronische Signatur mit erhöhter Sicherheit, die mit einer qualifizierten Einheit zur Erstellung elektronischer Signaturen erstellt wird und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen basiert. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass für eine solche Signaturberechtigung eine Organisation mit entsprechender Authentifizierung (wie etwa Microsec, Netlock) nach der persönlichen Identifikation eine passende Chipkarte bereitstellt, mit der die elektronische Signatur umgesetzt werden kann. Unserer Erfahrung nach verfügt ein Großteil der Unternehmensleiter noch nicht über ein solches Signaturgerät, was zwar eine präsenzlose Verwaltung zwar nicht verhindert, jedoch die physische Erstellung (Ausdruck und Versand) von Dokumenten erfordert.
Geldwäscheerkennung
Nach den geltenden Geldwäschevorschriften ist ein Rechtsanwalt zur Identifizierung seines Mandanten verpflichtet und darf nur für einen ordnungsgemäß identifizierten Mandanten Aufträge ausführen. Es stellt sich daher die Frage, ob das oben beschriebene Verfahren auch auf Personen angewendet werden kann, die zuvor nicht anwaltlich identifiziert wurden.
Auf Grundlage der geltenden Geldwäsche- und Rechtsanwaltsgesetze kann die Mandantenidentifizierung über ein elektronisches Kommunikationsgerät erfolgen, das zuvor von der Rechtsanwaltskammer, dem Aufsichtsorgan der Rechtsanwälte, geprüft wurde. Zu der geprüften Software gehören beispielsweise Skype und bestimmte Versionen des Videotelefonie-Programms MTeams, die für einen breiten Personenkreis vergleichsweise leicht zugänglich sind. Das heißt, der tätige Rechtsanwalt kann die Person zunächst per Videoanruf „aus der Ferne identifizieren“ und der Mandant kann unmittelbar danach unterschreiben oder die Unterschrift als seine eigene anerkennen oder möglicherweise das elektronische Dokument mithilfe eines Dokumentenauthentifizierungsdienstes unterzeichnen.
Digitale Lösungen – elektronische oder herkömmliche Gegenzeichnung von Dokumenten
Daher muss zwischen den einsetzbaren digitalen Lösungen unterschieden werden, je nachdem, ob das Ziel darin besteht, die Unterschrift eines bereits identifizierten Kunden gegenzuzeichnen oder ob zusätzlich eine Fernidentifizierung durchgeführt wird. Im ersten Fall kann jede technische Lösung genutzt werden, die Bild und Ton gleichzeitig überträgt, vorausgesetzt, dass die jeweilige Lösung auch in der Lage ist, das Videogespräch aufzuzeichnen.
Im letzteren Fall können jedoch, wenn auch eine Fernidentifizierung durchgeführt wird, nur geprüfte elektronische Kommunikationsgeräte wie oben beschrieben verwendet werden. Der Identifizierungsvorgang (Audio- und Videoaufzeichnungen des Videoanrufs) muss vom Rechtsanwalt aufgezeichnet und aufbewahrt werden, sodass die oben beschriebene komfortable Lösung nur angewendet werden kann, wenn der Mandant der Aufzeichnung ausdrücklich zustimmt.
Die Gegenzeichnung durch den Rechtsanwalt kann nach der Unterzeichnung auf drei Arten erfolgen, je nachdem, in welchem Verfahren das jeweilige Dokument verwendet werden soll:
1. In einem Fall müssen die Unterlagen in Papierform eingereicht werden, so dass eine „physische“ Gegenzeichnung erforderlich ist. Hierzu gehören zum Beispiel: Unterlagen im Zusammenhang mit Anträgen auf Grundbucheintragung. Dies bedeutet, dass die vom Mandanten ausgedruckten und im Rahmen des Video-Calls unterzeichneten Dokumente dem Rechtsanwalt per Post oder Kurier zugesandt werden müssen bzw. die Unterschrift auf dem an den Rechtsanwalt übermittelten Dokument nachträglich im Rahmen eines Video-Calls bestätigt werden muss. Der Rechtsanwalt unterzeichnet die Dokumente gegen, versieht sie mit einem Trockensiegel und leitet das erforderliche Verfahren ein.
2. Im zweiten Fall, wenn für das Verfahren – etwa das Gesellschaftsverfahren – wie oben beschrieben auch ein elektronisches Dokument geeignet ist, kann der Mandant, sofern er über eine qualifizierte elektronische Signaturberechtigung verfügt, das Dokument in Form eines elektronischen Dokuments unterzeichnen, welches er dem Rechtsanwalt per E-Mail übermitteln kann. In diesem Fall wird das Dokument nicht in physischer Form erstellt, sondern der Rechtsvertreter unterzeichnet es zusätzlich in elektronischer Form (versieht es zusätzlich mit einer elektronischen Signatur und einem Zeitstempel) und reicht die Dokumente im vorgegebenen Verfahren ein.
3. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, Dokumente von einem Anwalt gegenzeichnen zu lassen, was im System des NISZ AVDH (https://niszavdh.gov.hu/index) zusätzlich zur Identifizierung der Privatperson über das Kundenportal erfolgt. Hierbei handelt es sich um einen auf der Parteiidentifikation basierenden Dokumentauthentifizierungsdienst, der keine qualifizierte elektronische Signaturautorisierung erfordert, sondern lediglich den Zugriff auf das Kundenportal. Im Übrigen können wir aufgrund unserer mündlichen Gespräche mit mehreren Registergerichten davon ausgehen, dass sich unter den Registergerichten bislang keine einheitliche Praxis herausgebildet hat, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass ein derart gegengezeichnetes Dokument in der Praxis einiger Registergerichte akzeptiert wird.
Digitale Signaturen können auch für andere Verträge genutzt werden
Es gibt unterschiedliche Auslegungen darüber, inwieweit elektronische Dokumente, die von einem Unternehmensleiter mithilfe eines Dokumentenauthentifizierungsdienstes (z. B. NISZ AVDH) unterzeichnet wurden, jedoch keine Gegenzeichnung durch einen Anwalt aufweisen, als schriftlicher Vertrag oder als ordnungsgemäße Unternehmensunterschrift angesehen werden können.
Das Gesetz über die Tätigkeit des Rechtsanwalts sieht ausdrücklich vor, dass bei juristischen Personen und Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit ein von einer zur Vertretung befugten natürlichen Person erstelltes elektronisches Dokument durch eine Signaturauthentifizierung von einem Rechtsanwalt elektronisch gegengezeichnet werden kann. Da auch ein elektronisch gegengezeichnetes Dokument eine Privaturkunde mit voller Beweiskraft darstellt, können nach unserer Auffassung Verträge, die sonst nicht der Gegenzeichnung unterliegen, auf elektronischem Wege wirksam abgeschlossen werden, auch wenn der jeweilige Geschäftsführer nicht über ein qualifiziertes Signaturgerät verfügt.