Grundzüge der Umsatzsteuer Teil 3

Verbrauchsteuergedanke und territoriale Anknüpfung

Die auf europäischer Ebene erlassenen Richtlinien verstehen die Mehrwertsteuer explizit als Verbrauchsteuer. Das gemeinsame MwSt-System beruht auf dem Grundsatz, dass die Besteuerung im Land des tatsächlichen Verbrauchs erfolgt.

Der Verbrauchsbegriff ist allerdings unbestimmt. Die MwStSystRL enthält keine explizite Begriffsdefinition. Die Verbrauchsteuersystemrichtlinie findet auf die MwSt keine (unmittelbare) Anwendung. Verwaltungstechnisch ist es praktisch kaum möglich, die MwSt unmittelbar an den Verbrauch zu koppeln. Umsätze als Akte des Wirtschaftsverkehrs sind hingegen wegen der damit verbundenen Geldflüsse im Vergleich zum Verbrauch deutlich leichter zu erfassen und zu kontrollieren. Von der Erhebungstechnik her knüpft das MwSt-System daher an Umsätze von steuerpflichtigen Personen (Unternehmern) an. Umsätze sind:

  • die Lieferung von Gegenständen;
  • die Erbringung von Dienstleistungen;
  • die Einfuhr von Drittlandswaren in das Gemeinschaftsgebiet;
  • der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, die aus einem anderen Mitgliedstaat geliefert wurden.

Lieferungen und Dienstleistungen sind grundsätzlich nur dann zu besteuern, wenn ihnen ein Rechtsgeschäft zu Grunde liegt, das Leistung und Entgelt miteinander verknüpft. Demgegenüber ist die Besteuerung der Einfuhr unabhängig von einem „Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft“, also unabhängig von einem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft (Kaufvertrag, Werk- und Werklieferungsvertrag, etc.).

Ungeachtet ihrer erhebungstechnischen Anknüpfung an den Wirtschaftsverkehr (Umsätze) betont der EuGH in ständiger Rechtsprechung den Charakter der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer. Die Auslegung der umsatzsteuerlichen Vorschriften muss sich also teleologisch am Verbrauchsteuergedanken orientieren.  Auch die OECD betont fortlaufend den Verbrauchsteuergedanken der MwSt und die Bedeutung einer konsistenten Anwendung bei internationalen Geschäftsbeziehungen.

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist der Verbrauchsteuercharakter der MwSt insbes. für die Aufteilung der nationalen Besteuerungsrechte bedeutsam.

Der Ort der Leistung ist zunächst der augenscheinlichste territoriale Anknüpfungspunkt für die MwSt. Jener Staat, in dessen Gebiet sich der Leistungsort befindet, hat das Recht, die Leistung zu besteuern. Der Ort der Leistung stellt also den Konnex zwischen dem Steuergegenstand (Umsatz) und der nationalen Rechtsordnung dar und ist Ausfluss des Territorialitätsprinzips.  Bei Liefergeschäften über die Grenze liegt der Verbrauchsort regelmäßig nicht am Lieferort (Ursprungsland), sondern im Bestimmungsland. Im grenzüberschreitenden Lieferverkehr zwischen Unternehmen folgt das MwSt-System daher im Wesentlichen dem Bestimmungslandprinzip.[1]  Verwirklicht wird das Bestimmungslandprinzip mit Hilfe der Steuerbefreiung bei der Ausfuhr bzw. bei der innergemeinschaftlichen Lieferung im Ursprungsland[2] und der Steuerpflicht bei der Einfuhr bzw. beim innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland nach Maßgabe der dortigen Steuersätze.

Der Ort der Lieferung hat in diesem Zusammenhang zwei Funktionen: Zum einen räumt er den Finanzbehörden im Lieferland Kontrollbefugnisse ein. Zum anderen soll er die Entlastung der Gegenstände von jeglicher Umsatzsteuer im Ursprungsland sicherstellen (Grenzausgleich). Dadurch, dass die Lieferung als im Ursprungsland getätigt gilt, kann sie „echt“ – d.h. mit Vorsteuerabzugsanspruch –  von der Umsatzsteuer befreit werden. Alle im Ursprungsland erfolgten Vorgänge bleiben so im mehrwertsteuerlichen Ergebnis neutral.

Das Besteuerungsrecht im Land des Verbrauchs wird über die Besteuerung der mit der Ausfuhrlieferung korrespondierenden Einfuhr bzw. des mit der innergemeinschaftlichen Lieferung einhergehenden innergemeinschaftlichen Erwerbs ausgeübt.  Durch die Einfuhr bzw. den innergemeinschaftlichen Erwerb kommen die Waren umsatzsteuerlich im Bestimmungsland an. Auch die Folgeumsätze unterliegen den Vorschriften des Bestimmungslands.

Beispiel: Ein ungarisches Handelshaus bezieht Waren aus Fernost und dem EU-Ausland und verkauft diese Waren aus seinen Geschäftsräumen weiter.  Die auf die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb folgenden Verkäufe sind als Lieferungen in Ungarn steuerbar.

Nur im jeweiligen Inland ausgeführte Umsätze unterliegen dem nationalen MwSt-Regime eines bestimmten Staates.

Allerdings gilt dies möglicherweise nicht uneingeschränkt für die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt). Art. 215 ZK, der den Ort der Zollschuldentstehung normiert und dabei Fiktionen enthält, gilt sinngemäß nach § 21 Abs. 2 UStG auch für die EUSt. Danach ist es durchaus möglich, dass die EUSt in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Einfuhr entsteht. Ganz deutlich wird dies beim Einfuhrschmuggel. Als Ort der Zollschuldentstehung gilt danach stets der Ort, in dessen Mitgliedstaat der Schmuggel festgestellt wird, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Schmuggel begangen wurde.

Für die korrekte Behandlung von Leistungen in internationalen Zusammenhängen ist es also zwingend erforderlich, den Ort aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht zu bestimmen.  In geografischer Hinsicht stimmt der für die MwSt maßgebliche Ort einer Leistung nur selten mit dem Ort überein, an dem der Leistungserbringer tatsächlich tätig ist.

Befindet sich der Ort einer Leistung nicht im Inland, so gilt sie als im Ausland erbracht.  Wird eine Leistung nach heimischem MwSt-Recht als nichtsteuerbarer Ausland-Umsatz beurteilt, so führt das häufig dazu, dass das Unternehmen einen Inland-Umsatz im Ausland tätigt und damit unter das dortige MwSt-System fällt.  Das ist insbesondere innerhalb der EU der Fall, da die Leistungsortsbestimmungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt sind. Erklärtes Ziel des gemeinsamen MwSt-Systems ist es nämlich, sowohl Nichtbesteuerungen als auch Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Befindet sich der Leistungsort im Ausland, so kann das nach ausländischem Recht je nach Umsatzart und Land die Registrierungspflicht und/oder Pflicht zur Bestellung eines Fiskalvertreters auslösen.  Das heimische Umsatzsteuerrecht kann hingegen keine Steuerbarkeit im Ausland postulieren. Genauso wenig kann ausgeschlossen werden, dass bei gegebener Steuerbarkeit im Inland dieselbe Leistung gleichzeitig unter ein ausländisches MwSt-Regime fällt.

Beispiel: Ein deutsches Unternehmen kauft in Dänemark Handelswaren ein, um diese ebenfalls in Dänemark weiter zu veräußern. Aus deutscher Sicht ist der Vorgang nicht umsatzsteuerbar. Der Vorgang unterliegt aber dem dänischen Umsatzsteuerrecht.


 

 

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